Geschichte

Über die Entwicklung der Schweizerischen Braumeister-Vereinigung in den letzten 100 Jahren eine Abhandlung zu verfassen, ist ein schwieriges, wenn nicht beinahe unmögliches Unterfangen.

Es ist mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich auch vor 100 Jahren die Braumeister zu regelmässigen Anlässen trafen. Es gab ja damals noch an die 500 Brauereien in unserem Lande, und die grosse Zahl von Braumeistern und Oberburschen hatte sicher das Bedürfnis nach Erfahrungsaustausch - trotz der vielen Geheimnisse, die um diese Zeit noch herrschten - oder auch rein zu geselligem Beisammensein.

Die alten Jahrgänge der Schweizer Brauerei-Rundschau bilden die einzige Quelle über den Anfang der Vereinigung und deren Aktivitäten.

Seit Januar 1909 gibt es die Rubrik „Braumeister- Vereinigung". Es wird über die erste offizielle Monatszusammenkunft der Gruppe Zürich im Restaurant „Du Nord" berichtet. „Von nun an finden solche jeden ersten Donnerstag im Monat statt, wozu die einzelnen Kollegen nach der bestimmten Reihenfolge einladen und zwar in ein von letzteren jedes Mal selbstgewähltes Lokal. Die Gruppe Basel trifft sich jeden letzten Freitag und die Gründung einer Solothurner-Gruppe steht bevor". Der Berichterstatter Fritz Wirth vom Greifenbräu in Basel wirbt „für einen grossen Weitsprung im Schaffungsgeist für unsere edle Sache" und verlangt von den Kollegen Vorschläge über einen eventuell an der Frühjahrsversammlung in Schaffhausen abzuhaltenden wissenschaftlichen Vortrag. Im Frühjahr veröffentlicht Wirth auf der Seite 58 das Mitglieder-Verzeichnis der Gruppen Basel, Zürich und Bern (Tab. 1). Zwei Monate später, in der April-Nummer 1909, lässt er eine Ergänzungsliste mit denjenigen Mitgliedern veröffentlichen, die sich bis dahin noch nicht zu Ortsgruppen zusammengeschlossen hatten. Die Vereinigung zählte zu diesem Zeitpunkt etwa 100 Mitglieder.

Im Juni 1909 berichtet Fritz Wirth auf zwei Druckseiten über die Zusammenkunft vom 10. Mai 1909 in Schaffhausen. Braumeister Binder von der Brauerei zum Falken führte die Gäste mit ihren Damen durch die „aufs modernste eingerichtete Brauerei mit Mälzerei“. Fach- wissenschaftlicher Referent dieser Tagung war Dr. Albert Winkelmann, Vorstand der mikroskopisch-biologischen Abteilung der Versuchsstation Schweizerischer Brauereien. Ein halbes Jahr später stossen wir auf die Todesanzeige des Dr. Albert Winkelmann: Er wurde am 10. September 1909 im 31. Lebensjahr im Hochgebirge das Opfer eines Schneesturms.

Ab Juli-Nummer 1910 erscheinen die Mitteilungen unter der Überschrift „Freie Schweizerisch-Süddeutsche Braumeister-Vereinigung". Dazu Fritz Wirth: „Neu ist das nicht, denn diese Vereinigung besteht schon seit mehreren Jahren unter der bewährten Leitung des Kollegen Simma, Brauerei Schrempp-Karlsruhe deutschseits und des Kollegen Ballauf, heute Brauerei Henrich, Frankfurt-Main, früher Brauerei Thoma-Basel schweizerischerseits und erfreut sich einer erheblichen Anzahl von Mitgliedern .... Als Vereinsorgan für die Kollegen in der Schweiz haben wir die Schweizerische Brauerei- Rundschau (pro Mitglied und Jahr 5 Fr.), für die Kollegen auf deutschem Gebiet den Allgemeinen Anzeiger für Brauereien, Mälzereien und Hopfenbau in Mannheim (pro Mitglied und Jahr 6 Mark) gewonnen und wir wollen an dieser Stelle nicht vergessen, den beiderseitigen Verlagen für ihr gütiges Entgegenkommen herzlichst zu danken." In der Schweiz war dieses Abonnement die einzige Verpflichtung, an den Verein selbst bezahlten die Mitglieder keinen Beitrag (Nr. 12/1910, S. 282).

Nummer 21, 15. Oktober 1910: Die Braumeister Wirth und Schaller laden ein zur Tagung in Biel vom 23. Oktober 1910. An dieser Stelle werden die Mitglieder darauf aufmerksam gemacht, dass in Zukunft keine persönlichen Einladungen mehr erfolgen, die Daten und Details der Veranstaltungen sollen stets der Brauerei- Rundschau entnommen werden.

19. Mai 1912: Braumeister Ballistier von der Unionbrauerei AG in Karlsruhe und Braumeister Wirth von der Brauerei zum Greifen in Basel organisieren eine Tagung mit kollegialer Zusammenkunft, verschiedenen Wein- und Bierproben in Colmar; Teilnehmerzahl: 15 Kollegen aus schweizerischen und deutschen Gauen.

14 Mann der Gruppe Bern folgten am 12. Oktober 1912 der Einladung der Brauereibesitzer Gebr. Ulrich in La Chaux-de-Fonds. Als Ausnahme zeichnet J. Pfaff als Berichterstatter.

Die nächste Tagung führte man am 20. Oktober 1912 im badensischen Waldshut durch. Besucht wurde die Waldschloss-Brauerei.

Vom 5. bis 8. April 1913 fand eine schon lange vorher geplante Reise in den Tessin statt. Vorgesehen war auch ein Zusammentreffen mit dem italienischen Braumeisterbund, im Reisebericht ist aber nichts darüber zu lesen. „Man kam kurzweilig durch den ersten Tunnel, den Hauenstein, hinter dem man sich schon fast in Italien wähnte, durch den Anblick der vielen ltalienerbaracken vom neuen Hauensteinbasistunnel." Ergötzlich zu lesen, wie die bestandenen Mannen an kleinsten Details ihre Freude hatten; schon damals zählte der Kirchhof von Wassen und der rundum führende Wattingerkehrtunnel zu den grossen Sensationen. In der Nummer 14 vom 5. Juli 1913 wird ausführlich über die leider nur zu kurzen Stunden unter dem Lindenbaum der Brauerei Sailer & Co. in Lugano berichtet. Die Hin- und Rückfahrt in einem Extrawagen auf den San Salvatore kostete pro Person 2 Franken.

Am 7. September 1913 fand auf Einladung des Vorsitzenden des Verwaltungsrates H. Guhl und der Direktoren Marti und Knorr mit 40 Braumeistern eine Besichtigung der Motorwagenfabrik Berna AG in Olten statt. Die 1902 gegründete Fabrik für Lastwagen und Tourenwagen produzierte 1913 300 Einheiten. Es werden die Brauereien aufgezählt, die ihr Bier mit Berna-Lastwagen verführten: Brauerei Feldschlösschen 4 Wagen, Brauerei Gurten 4 Wagen, Brauerei Cardinal 3 Wagen, Brauerei Spiess 3 Wagen, Brauerei Wald 3 Wagen; ferner die Brauereien Reichenbach, Gebr. Wyss Hochdorf, Brasserie Muller Neuenburg, Brauerei Ind. Coope & Co. London, Brauerei Liesing Wien, Austria Brauerei, Erste Ungarische Aktienbrauerei, Brauerei Fischer Villach.

Es gab auch die Sektion Schweiz-Italien des Vereins aktiver und ehemaliger Studierender der Lehr- und Versuchsanstalt für Brauer in München. Der Vorsitzende C. Brunner in Weinfelden forderte die Mitglieder am 2. Juli 1913 auf, sich frühzeitig bei der Doemens-Schule zur Teilnahme an der Generalversammlung in Frankfurt a. M. zu melden.

Erst am 31. Juli 1920 berichtet A. Sprenger wieder über den nächsten Anlass der Freien Schweizerisch- Süddeutschen Braumeister-Vereinigung. Man traf sich mit 20 Kollegen in Luzern. „Gerne hätten wir unsere badischen und elsässischen Kollegen auch begrüsst, leider liess es der gegenwärtige Geldkurs nicht zu; auch die Einreisebewilligungen würden evtl. auf Schwierigkeiten gestossen sein".

Von jetzt an werden die Berichte über die Aktivitäten der Braumeister-Vereinigung immer seltener. Es macht den Anschein, dass Fritz Wirth nicht nur der Initiant, sondern auch der fleissige Berichterstatter fast aller Unternehmen war. Von 1909 bis in den ersten Weltkrieg hinein hat er sich regelmässig, über lange Strecken sogar in jeder Nummer der Brauerei-Rundschau zu Wort gemeldet und die Kollegen immer wieder aufgefordert, am Vereinsgeschehen mehr Anteil zu nehmen.

Im Jahresbericht 1957 hat der damalige Präsident Aristide Juillerat (1946 bis 1950 Leiter der Biologischen Abteilung der Versuchsstation Schweiz. Brauereien, 1950 bis 1959 Braumeister der Brauerei Falken Schaffhausen, gestorben am 9. August 1959 in Saignelégier an den Folgen eines Blitzschlages) eine Aufstellung der Versammlungen (Tab. 2) veröffentlicht.

Anscheinend haben im Laufe der Zeit rein zahlenmässig die Verkäufer von Bedarfsartikeln eine solche Stärke angenommen, dass sich einige Brauer darüber Gedanken machten, wie es eigentlich mit der Braumeister-Vereinigung weitergehen solle. Im Jahre 1951 wurden neue Statuten herausgegeben mit folgendem, auszugsweisen Text:

Wie in den Statuten erwähnt, organisieren sich die Gruppen selbst und führen auch weitgehend ein Eigenleben. Diese Freizügigkeit gestattet es ihnen, sich zu einem Stammtisch zu versammeln oder regelmässige Vorträge in ihr Programm einzubauen. Die einen treffen sich am Freitag Abend, die anderen führen an einem Samstag ein ganzes Tagesprogramm durch. Dieses zwanglose Nebeneinander passt recht gut in die eidgenössische Landschaft.

1985 wurden die Statuten komplett überarbeitet. Die wichtigste Veränderung dürfte unter "III. Mitgliedschaft" zu finden sein. War früher die Mitgliedschaft von dem Passus abhängig - in der technischen Leitung einer Brauerei tätige Brauer -, so heisst es nun „alle Personen, die eine Braumeisterschule erfolgreich absolviert haben und in einer Brauerei oder in einem anderen Getränkeproduktionsbetrieb in der Schweiz im Kader tätig sind.“ Diese Öffnung schien notwendig, ist doch die Zahl der Braustätten abnehmend und beträgt 1988 35.

Von 1965 - 1996 wurde die Hauptversammlung jeweils auf die Frühjahrestagung - in der Regel ein Mittwoch im April oder Mai - verlegt, während diese bis anhin immer anlässlich der Herbstveranstaltung stattfand.

Die Herbstversammlung - an einem Wochenende mit Damen durchgeführt - war damit ausschliesslich ein gesellschaftlicher Anlass geworden, frei von statutarischen Verpflichtungen. Diese Zusammenkünfte fanden jeweils in einer anderen Gegend unseres schönen Landes statt, dienten der Geselligkeit und des Sich-näher-Kennenlernens und waren immer gut besucht.

Sind die Zukunftswolken am Schweizer Bierhimmel eher etwas grau, so wollen wir doch hoffen, dass die Braumeister-Vereinigung ihren wichtigen Platz in unserer Bierlandschaft behalten wird. In diesem Sinne wünschen wir ihr ein weiteres Blühen, Wachsen und Gedeihen unter dem alten Brauerspruch „Dazu geb Gott Glück und Segen drein“!